Wir brauchen Streit – De Ridder fordert offene Abstimmung über „Ehe für alle“ frei von Parteiinteressen

Mein Postfach ist ein Seismograph – es misst jedoch nicht das Beben im Erdboden. Vielmehr zeigt es die Themen an, die Menschen in der Grafschaft und im Emsland in Schwingungen versetzen. In diesen Tagen sind die Ausschläge bei einem Wort besonders heftig und zahlreich: der Homo-Ehe. Es schreiben mir leidenschaftliche Verfechter, aber auch Gegner. Denen sage ich klar und deutlich: ich bin für die „Ehe für alle“.

Auf diesem Standpunkt stehe ich nicht alleine. Die SPD bekennt sich zur Öffnung der Ehe und zum Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Andere Parteien schließen sich an. Und noch wichtiger: zwei Drittel der Deutschen teilen diese Meinung – und das schon seit mindestens zwei Jahren. Warum also steht eine Entscheidung noch immer aus?

Die Führung der Unions-Parteien blockiert einen Beschluss. Mehr noch: Sie verweigert sogar eine öffentliche Debatte. Weder Frau Merkel noch Herr Seehofer haben sich bislang geäußert. Die saarländische CDU-Landeschefin, Annegret Kramp-Karrenbauer, irritiert hingegen mit obszönen Parolen und billiger Polemik, für die sie jetzt angezeigt wurde. Auch aus der Union werden Stimmen laut, man solle sich öffnen – einzig, sie werden ignoriert. Ich frage mich, wie sich die homosexuellen Bundestagsabgeordneten der Union mit diesem Verhalten  fühlen.

Die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen will jetzt die Bundesregierung auffordern, die Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften zu beenden. Der Beschluss soll an diesem Freitag im Bundesrat gefällt werden – mit der Unterstützung von acht weiteren Ländern. Doch wird die gesamte Regierung dann Farbe bekennen und handeln?

Von der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare steht kein Wort im Koalitionsvertrag. Das wird der Union ausreichen, um eine Drohkulisse aufzubauen. Von Koalitionsbruch wird dann die Rede sein, wenn die SPD hierzu die Diskussion öffnen will. Das ist ein taktisches Verhalten, das diesem Thema nicht gerecht wird. Es schadet der Politik und es schadet dem Ansehen unseres Landes. Frankreich, Spanien, Portugal, Großbritannien und zuletzt Irland – sie alle haben die Öffnung der Ehe und das Adoptionsrecht umgesetzt. Gerade erst war ich in Luxemburg, wo der Premierminister sich offen zu seiner Homosexualität bekennt.

Auch die Menschen in Deutschland sind längst soweit. Die Ehe steht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Wollen wir zwei Menschen, die sich aneinander binden und füreinander einstehen wollen, dieses Recht versagen? Familien bestehen nicht mehr nur aus Vater, Mutter und zwei Kindern.

Es kann nicht sein, dass die Regierung ein brisantes Thema nicht behandelt, weil man es vor zwei Jahren nicht vorhergesehen und in einem Vertrag zementiert hat. Daher fordere ich klare Positionen von allen Parteien. Ich möchte für den Streit eine Lanze brechen, der mit einer Abstimmung über ein konkretes Gesetz beigelegt wird. Die freie Entscheidung der Abgeordneten ist dabei besonders wichtig. Denn wo über eine Frage der Gleichheit aller Menschen abgestimmt wird, ist die Fraktionsdisziplin fehl am Platz.

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