Prekäre globale Lage erfordert staatspolitische Verantwortung
Ich begrüße die Einigung zwischen SPD und Union zu den Budgetverhandlungen in den Sondierungsgesprächen. Gleichzeitig muss ich aber auch das Vorgehen der Union scharf kritisieren. Es zeigt sich bereits jetzt, dass die Versprechungen von Merz im Wahlkampf haltlos waren.
Am Dienstag hatten sich die Verhandlungsführer:innen von SPD und Union auf vier Grundsätze in finanzpolitischen Fragen geeinigt. Zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit sollen Investitionen in die Bundeswehr von der Schuldenbremse teilweise ausgenommen werden. Mit einem großen Sondervermögen sollen Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden. Insbesondere die Verkehrsinfrastruktur, der Zivil- und Katastrophenschutz, Bildung, Forschung und Entwicklung und die Krankenhäuser sollen gestärkt werden. Als Drittes planen die Verhandler:innen Entlastungen der Länder und Kommunen. Schließlich wird eine Expertenkommission für eine Reform der Schuldenbremse eingesetzt. Für diese Vorhaben wird eine Zweidrittelmehrheit im Parlament benötigt. Diese ist durch die Stärke der AfD und der Linken im neuen Bundestag nicht gegeben.
Als eine von vielen ausscheidenden Abgeordneten werde ich in der kommenden Woche nach Berlin fahren, um die Beschlüsse noch vor der Konstituierung des neuen Bundestages zu verabschieden. Diese Situation ist grotesk – vor allem, weil sie vermeidbar gewesen wäre.
Als noch amtierende Vizepräsidentin der OSZE-Parlamentarierversammlung habe ich schon lange vor der akuten Situation gewarnt, nicht erst seit dem Wahlsieg von Donald Trump. In jeder Podiumsrunde während des Wahlkampfs habe ich verdeutlicht, dass eine Reform der Schuldenbremse unumgänglich ist. Wahltaktische Gründe waren aber bedauerlicherweise für Friedrich Merz ausschlaggebend, der bisherigen Bundesregierung trotz der globalen Krisensituation die Mitarbeit an solchen Reformen zu verwehren. Jetzt müssen wir als nicht wiedergewählte Abgeordnete Entscheidungen treffen, über deren Umsetzung wir dann nicht mehr mitbestimmen dürfen. Ärgerlich ist, dass die Union die Lage bewusst verschleiert hat. Friedrich Merz hätte diese Konfliktlage bereits im Herbst des vergangenen Jahres vermeiden können, wenn er zu einer konstruktiven Oppositionsarbeit bereit gewesen wäre und haushaltspolitische Entscheidungen mitgetragen hätte. Auch im Wahlkampf zeigte er sich kompromisslos und halsstarrig. Nun holt ihn und die Union die politische Realität ein. Ich verstehe nur zu gut das Rumoren bei den Kolleg:innen der Union und das der Wähler:innen, die sich von Herrn Merz getäuscht fühlen.
Vor wenigen Tagen habe ich die deutsche Delegation auf der Wintertagung der OSZE in Wien geleitet. Die Verzweiflung der Ukrainer:innen angesichts der wegfallenden Unterstützung durch die USA in ihrem Abwehrkrieg gegen die russische Aggression zwingt Deutschland und Europa zu entschiedenem Handeln. Wir müssen als Europäer:innen gemeinsam eine klare Haltung einnehmen und Sicherheitsgarantien gewährleisten. Mir persönlich ist es wichtig, dass die Ausweitung des Etats für die Bundeswehr an Konditionalitäten geknüpft wird. Sicherheitsgarantien für die Ukraine müssen gesetzlich verankert werden. Unser Engagement für Frieden und Sicherheit ist untrennbar mit der Bereitschaft verbunden, die notwendigen Ressourcen bereitzustellen.
Anders als von der Union behauptet, ist die Demütigung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj durch US-Präsident Trump und seinen Vizepräsidenten J.D. Vance der Anlass, aber nicht die Ursache für die Notwendigkeit der aktuellen Reformen.
Warum ich trotz allem den Reformen zustimmen werde? Meine sozialdemokratischen Kolleg:innen und ich sind bereit, staatspolitische Verantwortung zu übernehmen. Das mag in den unterschiedlichen Fraktionen anders aussehen. Für mich gilt aber: Zuerst das Land, dann die Partei; persönliche Befindlichkeiten werden zurückgestellt.