Maut, Flüchtlinge und Brexit – Wie sieht die Zukunft Europas aus?

Meppen. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Daniela De Ridder traf im Rahmen ihrer Dialogveranstaltung den sozialdemokratischen Europaabgeordneten Tiemo Wölken. Zentrales Thema der Veranstaltung war die soziale und ökonomische Zukunft der Europäischen Union. Aber auch Themen wie Zuwanderung und Flüchtlingskrise wurden nicht ausgespart.

„60 Jahre Römische Verträge – quasi als Geburtsstunde der EU, 30 Jahre Erasmus-Programm für akademische und berufliche Bildung, Jugend und Sport oder 15 Jahre Bologna-Prozess und Anerkennung europäischer Studienabschlüsse, Wegfall von Roamingebühren für Surfen, Telefonieren und Simsen – schon allein diese Beispiele zeigen die Wichtigkeit der europäischen Union“, unterstrich Dr. Daniela De Ridder, SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Mittelems. Mit Tiemo Wölken hatte sie einen jungen Europaabgeordneten eingeladen, der als Nachfolger von Matthias Grothe seit September 2016 Mitglied des Europaparlaments und des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ist.

Bei der Veranstaltung aus der Reihe „De Ridder im Dialog“ standen die Auswirkungen der jüngsten europäischen Entwicklung bei Handel, Verkehr und Arbeitsmarkt im Mittelpunkt der Diskussion: Die Menschen in der Grafschaft Bentheim und im Emsland profitieren von den Annehmlichkeiten des freien Reisens ohne Grenzkontrollen, der Währungsunion und der Anerkennung von Arbeitszeiten im EU-Ausland, was besonders für das Grenzgebiet zu den Niederländern unerlässlich ist. Keine Überraschung also sei es, dass es in der Region massive Proteste gegen die Einführung der PKW-Maut gab: „Geopolitische Entscheidungen haben eben durchaus auch regionale und lokale Auswirkungen und wer behauptet, Europa sei weit weg, irrt sich gewaltig“, betonte De Ridder.

In den letzten Monaten und Jahren habe man häufig erleben müssen, wie die Europäische Union trotz ihrer großen Bedeutung und ihrer Erfolge infrage gestellt werde. Dabei sei sie ein Hort der Sicherheit, denn Ziel der Europäischen Union sei es doch, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Mitgliedsstaaten zu sichern. Darauf hatte auch der ehemalige US-Präsident Obama hingewiesen, als er uns anlässlich seines Deutschlandbesuchs daran erinnerte, dass die EU Träger des Friedensnobelpreises sei. Allerdings zeige sich der europäische Zusammenhalt seit der Flüchtlingskrise als brüchig, beschrieb Wölken die aktuelle Ausgangslage: „Ich warne vor den Fliehkräften des Auseinanderdriftens der EU-Staaten und wachsender nationalistischer Interessen.“

Zu lange, so Wölken weiter, habe die EU als bloße Wirtschafts- und Währungsunion und nicht genügend als Sozialunion gegolten, was sich insbesondere während der Flüchtlingskrise gezeigt habe. Die EU biete ihren Bürgerinnen und Bürgern Freiheit, Demokratie und einen Raum ohne Binnengrenzen sowie einen offenen Binnenmarkt. Zu sehr jedoch machten sich aktuell nationale Interessen einzelner Staaten breit, wie etwa in Ungarn oder Polen. Griechenland und Italien wiederum ächzten unter der starken Zuwanderung von Flüchtlingen. Mit diesem Problem aber dürften diese Länder nicht im Stich gelassen werden, zumal die Europäische Union noch nicht einmal jene Flüchtlinge berücksichtige, deren Lebenslage durch klimatische Bedingungen beeinträchtigt werde. So sehe er einen großen Bedarf für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Er empfahl, bereits Hilfsangebote in den Heimatländern der Flüchtlinge einzurichten und ihnen vor Ort mehr Chancen anzubieten. So forderte Wölken, dass Asylanträge mit europaweit einheitlichen Kriterien bereits in den Heimatländern der Flüchtlinge bearbeitet werden müssten und in allen europäischen Staaten an Geflüchtete gleiche finanzielle Leistungen vergeben werden müssten.

Scharf kritisierte Wölken die Haltung des Bundesfinanzministers Schäuble gegenüber Griechenlands sowie die Politik Merkels gegenüber der Türkei: Das Angebot einer „privilegierten Partnerschaft“  für die Türkei sei stets halbherzig gewesen. Allerdings bezeichnete er auch die zahlreichen aktuellen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei als „no go“ und forderte, die Beitrittsverhandlungen auszusetzen.

„Die tun nichts, die wollen nur sparen“ – eine solche Haltung für die deutsche Position innerhalb Europas  dürfe sich als Eindruck bei den europäischen Nachbarländern nicht festsetzen, betonte auch De Ridder: „Wer so agiert, befördert nicht den Dialog, sondern leistet Vorschub für Schließung und Ablehnung. Das aber können wir beim wachsenden Nationalismus in unseren direkten Nachbarländern – etwa in den Niederlanden mit Wilders, in Frankreich mit Le Pen, in Österreich mit Strache und Hofer, in Ungarn mit Orban, in Polen mit Kaczynski – nicht brauchen und es tut auch der deutschen Demokratie nicht gut.“

Dass sich Armut insbesondere durch Bildungs- und Wirtschaftspolitik bekämpfen lassen müsse, darin waren sich De Ridder und Wölken einig. De Ridder verwies darauf, dass sie für die SPD-Bundestagsfraktion ein Positionspapier zur „Bekämpfung von Fluchtursachen durch Bildung“ entwickelt habe, das an Aktualität nichts eingebüßt habe.

Kritisch beleuchtete der Europa-Abgeordnete auch die britische Situation: Für den Brexit  müssten mehr als 12.000 Gesetzestexte geprüft werden; einen „Exit aus dem Brexit“ halte er durchaus für möglich. Wie sich die europäische Union mit oder ohne Großbritannien weiterentwickeln werde, das sei nicht nur mit Spannung zu beobachten, sondern eine Gestaltungsaufgabe demokratischer Politik, betont der Sozialdemokrat.

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