Dr. Daniela De Ridder weist AfD-Antrag für Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn für ausländische Saisonarbeitskräfte zurück
Berlin – die SPD-Bundestagsabgeordnete fand in ihrer Rede im Deutschen Bundestag deutliche Worte gegen einen Antrag der AfD, in dem die Partei eine Ausnahme vom gesetzlichen Mindestlohn für ausländische saisonale Arbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft forderte.
Die Agrarpolitikerin hielt im Plenum die folgende Rede:
„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
statt Polemik doch lieber ein paar Fakten.
Im Jahr 2023 waren in Deutschland 876.000 Arbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau beschäftigt. Von diesen Beschäftigten waren 234.000 Saisonarbeitskräfte. Das ist rund ein Drittel.
Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter sind tatsächlich nur für einen begrenzten Zeitraum tätig. Ihre Arbeit wird nicht das ganze Jahr über ausgeübt und hat daher saisonalen Charakter.
Diese Saisonalität hängt entweder vom Wetter oder vom Kaufverhalten ab. Und ganz simpel gesagt: Im Winter wird kein Spargel gestochen und im Sommer kein Silvesterfeuerwerk verkauft.
In Deutschland kommen Saisonarbeiter:innen überwiegend aus Polen, Rumänien, Bulgarien oder Ungarn. Sie nutzen die Freizügigkeit innerhalb der EU.
Die von Saisonarbeitskräften geleistete Arbeit ist in unseren grünen Betrieben unabdingbar, wenn wir die Ernährung unserer Bevölkerung sicherstellen wollen. Dabei handelt es sich häufig um harte körperliche Arbeit.
Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau gleichermaßen für ausländische wie auch für inländische Beschäftigte.
Aktuell, für die, die es nicht wissen, beträgt dieser Mindestlohn 12,41 € und ab 1. Januar des kommenden Jahres wird er auf 12,82 € steigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Saisonarbeitskräfte sind nicht zu beneiden. Denn Saisonarbeit findet nicht selten unter prekären Bedingungen statt.
Hierzu gehören insbesondere extrem kurze Kündigungsfristen, eine mögliche Ausdehnung der Arbeitszeit auf zwölf Stunden täglich. Das ist wirklich bitter. Hohe Unterbringungskosten, die oft vom Lohn abgezogen werden, Beschäftigung ohne langfristige soziale Absicherung, Bezahlung oft erst am Ende der Saison und oft die faktische Unterschreitung des Mindestlohns.
Das ist nicht gut, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und das macht die Gewerkschaft IG Bau deutlich, die dankenswerterweise dieses Thema immer wieder auf die Agenda setzt.
Und es ist gut, dass die Minister Hubertus Heil und Cem Özdemir bei ihren jeweiligen Ministerien zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit Vermittlungsabsprachen mit Georgien und der Republik Moldau getroffen haben um die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeitskräfte zu verbessern.
Ebenso wichtig ist es, dass die IG Bau gleichzeitig die transnationale Zusammenarbeit fördert und mit den jeweiligen Gewerkschaften in Polen, Bulgarien und Rumänien Kooperationsabkommen für die Saisonarbeit abgeschlossen hat.
Mit ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, strebt die AfD nun die drastische Reduktion oder gar die de facto Abschaffung des Mindestlohnes für ausländische – und das betont sie ganz deutlich – für ausländische Saisonarbeiterinnen und -arbeiter beim heimischen Obst-, Gemüse-, Wein- und Hopfenanbau an.
Sie will mit ihrem Antrag eine neue Form der Tagelöhnerschaft kreieren. Denn eine Absenkung des Mindestlohnes, so die AfD wörtlich, würde den ausländischen Saisonarbeiter:innen ja nicht schaden, da diese ja nach wie vor frei darüber entscheiden könnten, ob sie und zu welchem Lohn sie eine Arbeitsstelle annehmen wollen. Auch seien sie frei, jederzeit diese Löhne zu verhandeln.
Ein klein wenig zynisch sind sie schon, nicht wahr?
Der AfD-Antrag ist für beide Seiten schädlich. Für die ausländischen Saisonarbeiterinnen und -arbeiter, denen Sie aufbürden, so wie in der großen Depression in den USA der 1930er Jahre am Straßenrand stehend zu Dumpingpreisen ihre Arbeitskraft anzubieten.
Und es ist schädlich für unsere Landwirte, weil sie mit jedem Einzelnen, und vermutlich sogar täglich neu den Lohn verhandeln müssen.
Also glauben Sie wirklich, dies dient der Erleichterung für unsere Obst- und Gemüsebauern oder unsere Winzer?
Ich frage mich, in welcher Realität Sie leben. Ihre Vorschläge und mehr noch, Ihre Haltung und Ihr Menschenbild sind so weit weg von unserer landwirtschaftlichen Praxis, dass ich glatt versucht bin, Ihnen vorzuschlagen: Machen Sie doch mal ein Praktikum in einem landwirtschaftlichen Betrieb, gehen Sie in den Gartenbau, arbeiten Sie bei einem Winzer, Sie werden sehen: Das hat mit der Realität, die Sie dort vorfinden nichts zu tun.
Ihre Forderungen erinnern an vormoderne Zeiten und vernachlässigen zugleich den europäischen Binnenmarkt.
Aber Sie wollen ja kein Europa und das machen Sie deutlich.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.“
Die vollstädige Rede ist in der Mediathek des Deutschen Bundestages im Videoformat verfügbar: