Lingen. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Daniela De Ridder besuchte das Gesundheitsnetz GENIAL in Lingen. Gegenstand des Gesprächs mit dem Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Hentrich und dem Geschäftsführer Christoph Schwerdt war die medizinische und ärztliche Versorgung ins Gespräch.
„Dass wir die medizinische Versorgung in ländlichen Kommunen mit höchster Priorität sicherstellen müssen, gilt als zentrales Gebot der Daseinsfürsorge. Auch die medizinische Betreuung ist ja inzwischen vom demographischen Wandel betroffen; dies betrifft vor allem auch das Emsland und die Grafschaft Bentheim. Auch unsere Hausärztinnen und Allgemeinmediziner werden älter und stellen häufig fest, wenn sie ihre Praxis übergeben wollen, wie schwer es ist, Nachfolger zu finden. Oft fehlen attraktive Angebote für junge Ärztinnen und Ärzte, die wir aber durchaus für eine Landarztpraxis gewinnen könnten und die sich dort auch für längere Zeit niederlassen würden. Es bedarf daher rasch neuer und innovativer Ansätze, damit wir einer drohenden Unterversorgung Herr werden können. GENIAL in Lingen zeigt sehr eindrucksvoll, wie dies ermöglicht werden kann“, erklärt Dr. Daniela De Ridder, SPD-Bundestagsabgeordnete für das Emsland und die Grafschaft Bentheim. De Ridder, die selber aus einer Arztfamilie stammt, ist bei der SPD-Bundestagsfraktion Berichterstatterin für das Medizinstudium und kennt daher die Debatte um die Schwierigkeiten, junge Mediziner und Ärztinnen für den ländlichen Raum zu gewinnen, sehr gut.
Das GENIAL Ärztenetzwerk besteht dabei nicht nur als bloße ökonomische Interessenvertretung zusammengeschlossener Ärzte, sondern ist gleichzeitig Gesundheits- und Kompetenzzentrum in der Region. Mit ihrem breiten Angebot in der Gesundheits- und medizinischen Versorgung, trägt das GENIAL damit zur weiteren Versorgungsstärkung bei. Im GENIAL sind nicht nur Allgemeinmediziner, sondern auch spezialisierte Fachärztinnen und -ärzte von der Augenheilkunde, Dermatologie, Diabetologie, Gynäkologie, HNO, Pädiatrie, Neurologie und Kardiologie vertreten – neben vielen weiteren wichtigen Fachbereichen. Dass das Ärztenetzwerk erfolgreich ist, zeigt sich besonders auch an der Förderung der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsens, zu der De Ridder den Verantwortlichen Wolfgang Hentrich und Christoph Schwerdt sowie deren Team herzlich gratuliere. „Praxisnetze, die nach § 87 b SGB V zertifiziert sind haben alle Voraussetzungen, die Lösungen der regionalen Versorgung vor Ort kurzfristig zu finden. Es fehlt ihnen dazu nur eine Berechtigung, als Arztnetz Ärztinnen und Ärzte anzustellen und Versorgungslücken zu schließen. Hierzu benötigen wir den Leistungserbringerstatus für Ärzte- bzw. Praxisnetze“, sagte Wolfgang Hentrich, Vorstandsvorsitzender der GENIAL eG.
De Ridder und ihren Gesprächspartnern ging es bei dem Gespräch auch um die Möglichkeiten, die der kommende Masterplan Medizinstudium 2020 mit sich bringt. De Ridder hatte die konfliktreiche Debatte intensiv begleitet: Ab sofort werden die Zulassungsbedingungen für kommende Medizinstudierende so verändert, dass sie neben der Abiturnote als bleibendem zentralen Zulassungskriterium mindestens zwei weitere Kriterien – so etwa soziales Engagement – zur Auswahl nutzen können. Des Weiteren wird die Rolle der Allgemeinmedizin im Studium gestärkt – alle Studierenden müssen nun in der Allgemeinmedizin ausgebildet werden. Verhindert werden konnte die umstrittene Landarztquote, die nun als freiwillige Quote individuell in den Ländern eingeführt werden kann.
Durch das vertrauensvolle Zusammenarbeiten der Ärztinnen und Ärzte im GENIAL haben die Patientinnen und Patienten den vollen Zugang zum ambulanten Spektrum. Auch die Zusammenarbeit mit Krankenhäusern und anderen Gesundheitsexperten in der Region bewirkt kurze Diagnostikpfade. Dennoch erfolgt die Behandlung wohnortnah und nicht an einer zentralen und damit nur für wenige, erreichbaren Stelle. Dadurch haben die Patientinnen und Patienten auch die Möglichkeit, jederzeit selbst zu entscheiden, wie groß der Umfang der Vernetzung werden darf – und das unter kompetenter ärztlicher Aufsicht.
Hier merkten Wolfgang Hentrich und Christoph Schwerdt an, dass sich Engpässe kurzfristig nicht über das Medizinstudium lösen lassen werden, da das Medizinstudium mit einer Regelstudienzeit von sechs Jahren eher mittel- und langfristig, dann aber auch nachhaltig, zur Lösung beitragen kann. Dass sich überhaupt nur wenige junge Menschen entscheiden, in die Allgemeinmedizin zu gehen, sei vor allem ein Imageproblem der Haus- und Landärzte, wussten sie zu berichten. So würden angehende Allgemeinmediziner die Ausbildung eines Königstigers erhalten, jedoch unter dem Image einer Hauskatze leiden.
„Dieses Problem des als ‚Wald- und Wiesenarzt‘ abgestempelten Haus- und Landarztes kennen wir schon seit Jahren. Als zuständige Berichterstatterin für das neue Medizinstudium habe ich mich auch deshalb für eine deutliche Aufwertung der Allgemeinmedizinerausbildung eingesetzt. Dennoch braucht es am Ende mehr, um junge Ärztinnen und Ärzte für die Region zu gewinnen und hier auch an uns zu binden. Spezielle Anreizprämien sind zwar ein guter Anfang, werden aber bei weitem nicht ausreichen, um unsere Versorgungsprobleme langfristig zu lösen. Wer heute angehenden Ärztinnen und Ärzte eine Landarztpraxis schmackhaft machen will, muss sich klarmachen, dass vor allem sogenannte weiche Standortfaktoren eine Rolle spielen: Durch den hohen Numerus Clausus ist das Medizinstudium stark beschränkt und da vor allem junge Frauen einen guten Notendurchschnitt beim Abitur nachweisen können, gelingt es ihnen auch besser als jungen Männern einen Studienplatz in der Medizin einzunehmen. Dies erklärt auch, warum besonders viele Frauen als Ärztinnen tätig sind; will man sie für eine Arztpraxis in kleineren Städten oder für eine Landarztpraxis gewinnen, muss man auch auf ihre Wünsche eingehen. Im Allgemeinen gehen Frauen auch seltener finanzielle Risiken ein und sind bei Praxisübernahme auch aus ökonomischer Sicht zurückhaltender. So steht etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hoch im Kurs. Auch kulturelle Angebote spielen für die Lebensqualität eine große Rolle. Genau bei dieser Ausgangslage aber muss man ansetzen, wenn wir langfristig nicht in eine medizinische Unterversorgung rutschen wollen“, ist De Ridder überzeugt.
Die Vertreter des Ärztenetzwerkes betonten ebenfalls, Bedeutung und Wichtigkeit der Vernetzung unterschiedlicher Berufsgruppen in der Gesundheitsversorgung und wünschten sich eine Stärkung ihres Zusammenschlusses. Dazu bedürfe es mehr Durchlässigkeit bei den Berufsbildern und einer Praxisassistenz, bei der bestimmte Krankheitsbilder und ärztliche Aufgaben in begrenztem Umfang und nach Absprache mit dem behandelnden Ärztinnen von qualifizierten Medizinischen Fachangestellten übernommen werden und die Ärzte bei Dokumentationspflichten entlasten können. Entlastung könne auch durch die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen erreicht werden, die unter dem Stichwort „Multiprofessionalität“ zusammengefasst wird. Von Anfang an werden dann die Berufsgruppen der Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie oder anderer möglicher Reha-Maßnahmen in die Behandlung einbezogen und diese können dann die ganzheitliche Behandlung und Genesung der Patientinnen und Patienten unterstützen. Auch ein regionaler Expertenbeirat, der diese unterschiedlichen Berufsgruppen mit Politik und Verwaltung zusammenbringt, könnte für die Zukunft der medizinischen Versorgung eine Rolle spielen, in dem er Chancen und Grenzen aufzeigt.
„Die Forderungen und Denkanstöße, die GENIAL unterbreitet hat, sind überzeugend und werden ganz sicher auch in der Bundespolitik Gehör finden. Die geleistete Arbeit für die regionale medizinische Versorgung kann zudem hilfreich für andere Regionen sein. Daher freut es mich, wenn unsere Region auch weiterhin gute Ideen und Lösungsansätze als best-practice-Modell exportieren kann“, sagte Daniela De Ridder abschließend.