Zuflucht finden vor häuslicher Gewalt

Nordhorn. SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Daniela De Ridder besucht das Frauen- und Kinderschutzhaus und informiert sich über die langjährige Begleitung der Zuflucht suchenden Frauen und Kinder, der Ausstattung sowie der Beratungs- und Präventionsangebote der Einrichtung.

Bis an das Limit belegt, seit zwei Jahren – das ist die Situation des Frauen- und Kinderschutzhauses, das Hilfesuchende aus dem gesamten Landkreis aufnimmt. Die Nachfrage von Frauen, die mit ihren Kindern Zuflucht vor häuslicher Gewalt suchen, ist nach wie vor sehr hoch. Mehr noch: Der angespannte Wohnungsmarkt sorgte für lange Wartezeiten bei denen, die ausziehen wollten. Aktuell ist das Haus zu 80 bis 90 Prozent belegt, aber zumindest gibt es wieder etwas „Luft nach oben“, berichten Bianca Farwick Irmgard Fleddermann und Irma Rother vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Nordhorn e.V., der das Frauen- und Kinderschutzhaus betreibt. Besonders erschreckend: Manchmal finden sich unter den Tätern auch Männer, die als Kinder mit ihren Müttern einst im Frauenhaus Schutz gesucht haben.

„Diese Schilderung hat mir noch einmal verdeutlicht, dass wir die Familie als Ganzes in den Opferschutz einbeziehen müssen. Mütter und Kinder, weil sie ein Recht auf Unversehrtheit haben, Männer und ganz besonders Väter, weil sie dringend andere Muster der Auseinandersetzung lernen müssen. Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass wir die Gewalterfahrung in der Familie enttabuisieren – auch wenn wir manchmal zu glauben scheinen, dass bei uns im ländlichen Raum die Welt noch in Ordnung ist. Niemandem ist damit geholfen, wenn wir bei Gewalt schweigen oder wegschauen; dies hilft weder den Opfern noch den Tätern“, erklärt Dr. Daniela De Ridder.

Das Frauen- und Kinderschutzhaus in Nordhorn besteht seit 1986; 1988 wurde es offiziell anerkannt und von Anfang an galt es, das schwierige Thema zu enttabuisieren und den Frauen und Kindern Schutz anzubieten. Lange hat es gedauert, dass das Thema der sexualisierten Gewalt gegen Frauen öffentlich geahndet wird. Und noch immer gibt es ein großes Dunkelfeld und eine zum Teil verdeckte Form der Gewalt, deren Opfer überwiegend Frauen und Kinder sind. Das Frauenhaus bietet daher den Frauen auch die Gelegenheit, sich in Ruhe und ohne stetige Bedrohung durch den Partner über ihr zukünftiges Leben klar zu werden. Neben der Betreuung im Akutfall ist den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses aber auch die nachgehende und ambulante Betreuung wichtig – insbesondere auch mit Blick auf die betroffenen Kinder.
Daher liegt ihnen auch das Projekt „Kompass“ besonders am Herzen, bei dem Kinder und Jugendliche beraten und begleitet werden, die die häusliche Gewalt eines Elternteils miterleben mussten oder selbst von Gewalt betroffen sind.

„Die Anzahl der Beratungen von Kindern und Jugendlichen ist in den letzten Jahren steigend. Im Jahr 2016 wurden 31 Kinder durch das Projekt KOMPASS beraten. Im Jahr 2017 sind es aktuell schon 33 Kinder und Jugendliche, die erreicht wurden. Unsere Beratung zeichnet sich durch eine sehr zeitnahe Kontaktaufnahme zu den Kindern aus. Sei es durch eine selbstständige Meldung oder bei/nach einer Beratung durch eine Mitarbeiterin der Beratungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt (BISS) oder bei einer Aufnahme im Frauen- und Kinderschutzhaus – den Familien kann innerhalb weniger Tage eine Beratung und damit Hilfe angeboten werden. So können betroffene Kinder über die erlebte häusliche Gewalt sprechen. Damit stellt KOMPASS in der Grafschaft Bentheim ein Alleinstellungsmerkmal dar, das eine wichtige Ergänzung zum bestehenden Beratungsnetz ist“, erklärt Irma Rother im Gespräch.

Neue Nahrung erhielt das schwierige Thema der sexualisierten Gewalt im vergangenen Jahr im Übrigen durch die Debatte zur Verschärfung des Sexualstrafrechts im Bundestag: Bisher wurde eine Vergewaltigung nur bestraft, wenn der Täter mit Gewalt oder Drohungen vorgegangen ist. Durch die einstimmig gefasste Entscheidung des Bundestags gilt nun das Prinzip „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht: Eine sexuelle Handlung wird seitdem auch dann als Vergewaltigung gewertet wird, wenn sich das Opfer nicht aktiv gewehrt hat.

Zugleich war dieser Beschluss ein wichtiger Baustein für eine Ratifizierung der „Istanbul-Konvention“, auf die gerade die SPD-Bundestagsfraktion großen Wert legt: Diese verpflichtet die europäischen Staaten zu Prävention, Schutz und Unterstützung der Opfer, rechtlichen Vorschriften zur Ermittlung und Verfolgung von Straftaten sowie einem Monitoring und statistischen Erhebungen. Dabei sind nationale, regionale und örtliche Stellen sowie Organisationen der Zivilgesellschaft einzubeziehen.

Insbesondere die Finanzierung von Frauen- und Kinderschutzhäusern und Beratungsangeboten steht daher im Fokus der Diskussion. Diese Aufgabe liegt in der Hand von Ländern und Kommunen. Das Bundesfamilienministerium wiederum trägt etwa durch die Förderung der Arbeit der bundesweiten Vernetzungsstellen zur Qualitätsentwicklung und zum fachlichen Austausch der Angebote für gewaltbetroffene Frauen bei. Das Ministerium übernimmt zudem mit dem „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“ unmittelbar Verantwortung, damit Frauen rund um die Uhr Beratung und Unterstützung und einen niedrigschwelligen Weg in das Hilfesystem vor Ort finden.

Auch in der kommenden Legislaturperiode möchte die SPD das Thema Gewalt gegen Frauen weiter in den Fokus nehmen. So soll ein individueller Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für die Opfer und ihre Kinder geschaffen werden. Dies gilt auch für geflüchtete Frauen und Mädchen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Das Hilfesystem aus Beratungsstellen, Frauenhäusern und anderen Schutzeinrichtungen soll nach dem Willen der SPD ausgebaut und weiterentwickelt werden. Mit einem Bundesförderprogramm wollen die Sozialdemokraten die erforderlichen Maßnahmen im Hilfesystem flankieren. Um Gewalt gegen Frauen und Mädchen schon bei der Wurzel zu bekämpfen, möchten sie zudem weitere Präventionsprogramme schaffen. Eine Koordinierungsstelle auf Bundesebene soll die Umsetzung der Istanbul-Konvention überwachen.

„Ein starkes und verlässliches Hilfesystem ist elementar, damit sich Menschen in ihrer engsten Umgebung sicher fühlen können; immer noch sind von der häuslichen Gewalt zu viele schutzbedürftige Frauen und Kinder betroffen. Aber auch Gewalt von Männern gegen andere Männer dürfen wir nicht länger verschweigen, denn auch ihr Schicksal muss uns betroffen machen; ihnen als Opfer gehört mehr Aufmerksamkeit, Halt und Schutz“, so De Ridder abschließend.

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