Mehr Tierwohl in deutschen Ställen: Im Gespräch mit Landwirten der Region

Bad Bentheim/Grafschaft Bentheim. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Daniela De Ridder besuchte gemeinsam mit der Tierschutzbeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion, Susanne Mittag, den Hof von Rudolf Aalderink in Bad Bentheim, um einen Eindruck von der Arbeit des landwirtschaftlichen Familienbetriebes zu gewinnen. Nach einer Hof- und Stallführung diskutieren die beiden SPD-Politikerinnen mit dem Gastgeber Rudolf Aalderink, der stellvertretenden Vorsitzender des Landvolkes des Kreisvereins Grafschaft Bentheim ist. Ebenfalls nahmen der Vorsitzende der Erzeugergemeinschaft Ferkel Grafschaft Bentheim, Dietmar Woltmann, Guido Röttgers und Gerold Warrink an dem Erfahrungsaustausch zum Thema Tierwohl teil. De Ridder betont, dass es wichtig ist, die Standards in der Tierhaltung weiterzuentwickeln und zu verbessern.

In Deutschland findet aktuell ein Paradigmenwechsel statt: Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher lehnen eine intensive Nutztierhaltung mit nicht gerechten Haltungsbedingungen ab. Dabei stehen etwa die Eingriffe an den Tieren wie das Kürzen von Schnäbeln oder Schwänzen, der Einsatz von Antibiotika oder der fehlende Platzbedarf im Stall im Mittelpunkt der Kritik. Viele Landwirte sind motiviert, die Tierhaltung zu verbessern. Doch nicht wenige fürchten angesichts der internationalen Konkurrenz um ihre Existenz. „Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung steht immer weniger im Einklang mit den gesellschaftlichen Wünschen. Doch ein Wandel hin zu mehr tierschutzgerechter Haltung kann nur gelingen, wenn die Landwirtinnen und Landwirte entsprechende Unterstützung erhalten. Daher war es mir ein besonderes Anliegen, das Gespräch mit den örtlichen Landwirten über tierschutzgerechte Alternativen fortzusetzen“, erklärt Dr. Daniela De Ridder, SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Mittelsems.

Die SPD-Tierschutzbeauftragte Mittag wiederum machte deutlich, dass jedes Jahr in Deutschland rund 20 Millionen männliche Ferkel ohne Betäubung kastriert werden – ein für die Tiere schmerzvoller Eingriff. Bereits im Jahr 2013 hatte der Deutsche Bundestag mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes beschlossen, dass männliche Ferkel ab Januar 2019 nicht mehr ohne Betäubung kastriert werden dürfen. Diese lange Übergangsfrist sollte von den Landwirten und ihren Verbänden, dem Landwirtschaftsministerium, den Einzelhändlern, den Schlachtereien und von den Zulassungsbehörden genutzt werden, um alternative Methoden zu entwickeln und anzuwenden. Doch Ende 2018 wurde deutlich, dass die Alternativen zur derzeitigen Praxis nicht flächendeckend zur Verfügung standen. Daher standen die SPD-Bundestagsabgeordneten vor der Entscheidung, entweder einer Verlängerung der Frist um maximal zwei Jahre zuzustimmen oder vor allem kleine und mittlere Betriebe in ihrer Existenz zu gefährden. Eine Nichtverlängerung der Frist hätte zur Folge gehabt, dass im Ausland gezüchtete Ferkel nach Deutschland importiert worden wären, die auf eine Art kastriert sind, die dem deutschen Tierschutzgesetz nicht entsprechen würden. Daher verlängerte der Bundestag Ende 2018 die betäubungslose Ferkelkastration bei unter acht Tage alten Ferkeln in Deutschland bis 2021.

Mittag und De Ridder sind sich einig, dass diese zweijährige Übergangsfrist nicht erneut ungenutzt verstreichen dürfe. Dazu wurde ein klar gesteckter Zeitplan mit einem entsprechenden Maßnahmenkatalog beschlossen, der dafür Sorge, dass Landwirte bei der Anwendung von Isofluran geschult werden. Zudem begleiten Informations- und Aufklärungskampagnen die Einführung der Ebermast und Immunokastration am Markt. Auch ein Förderprogramm für Betriebe zur Anschaffung von notwendigen Narkosegeräten wurde aufgelegt, um die Landwirtinnen und Landwirte finanziell zu unterstützen. Damit sei es gelungen, dass alle drei vorliegenden Alternativen eine realistische Chance am Markt bekommen würden und die Landwirte selbst entscheiden können, welche Methode für sie die beste sei.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Nutztierhaltungsverordnung. Sowohl für die Erzeugerinnen und Erzeuger als auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher spielen die Lebensbedingungen von Schweinen, Geflügel oder Rindern eine immer wichtigere Rolle. Dabei geht es um mehr Platzangebot im Stall, zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten oder mehr Tageslicht im Stall. Im Bereich des Tierschutzes seien bereits erhebliche Fortschritte  erzielt worden, betonte Mittag, zum Beispiel bei der Einführung der Gruppenhaltung von Sauen im Wartebereich oder beim Verzicht auf das Kürzen der Schnäbel bei Legehennen.

Einig waren sich die Gesprächsteilnehmerinnen und Gesprächsteilnehmer darin, dass alle Akteure motiviert sind, das Wohl der Tiere weiter zu verbessern. Allerdings wünschen sich die Landwirte um Rudolf Aalderink bessere politische Rahmenbedingungen: Mehr Planungssicherheit wünschen sich vor allem die anwesenden Junglandwirte Fabian Aalderink und Christian Woltmann. Wenn die gesetzliche Anforderungen für das Wohl der Schweine steige und dadurch Ställe modernisiert und umgebaut werden müssen, können weniger Schweine gehalten werden. Dies gefährde die Wirtschaftlichkeit der vielen kleinen und mittleren Familienbetriebe in der Grafschaft Benhteim und im Emsland, so die Sorge der Landwirte. Daher müsse die Politik Sorge dafür tragen, gesetzliche Regelungen, zum Beispiel im Baurecht, zu treffen, um den Schweinehaltungsbetrieben Planungssicherheit zu garantieren. Dies sei für die Zukunft der Familienbetriebe von existenzieller Bedeutung. „Es ist wichtig, dass wir die Standards in der Tierhaltung weiterentwickeln und verbessern wollen. Dies kann allerdings nur gelingen, wenn wir die Sorgen und Ängste der Landwirte ernst nehmen“, bekräftigt De Ridder abschließend.

Beitrag teilen

Share on facebook
Share on twitter
Share on email